die welt auf 2.000 Quadratmetern
der Weltacker in rothenklempnow zeigt, wie wir nachhaltig mit der Uns zur verfügung stehenden fläche auskommen könn(t)en.

Ein kleines Dorf im äußersten Südosten Mecklenburg-Vorpommerns, keine 15 Kilometer von der polnischen Grenze entfernt: Rothenklempenow. Knapp 600 Menschen leben hier. Die Gemeindehat sich in den vergangenen Jahren einen Namen im Bereich nachhaltiger Landwirtschaft gemacht. Einer der Akteureist das Regionale Kompetenzzentrum Stettiner Haff (RCE), getragen vom Verein Bildung für nachhaltige Entwicklung StettinerHaff (BINES e. V.).
Das bekannteste Projekt des Vereins ist der „Weltacker Rothenklempenow“, ein sinnlich begreif und berührbares Umweltbildungsprojekt. Der Weltacker ist 2000 Quadratmeter groß – das entspricht der Fläche, die jedem von uns zustehen würde, wenn die 1,4 Milliarden Hektar globale Ackerfläche durch die Erdbevölkerung geteilt werden würde. Die Führungen übers Feldbeantworten viele Fragen: Wie weit kommen wir mit der zur Verfügung stehenden Fläche bei unserer derzeitigen Lebensweise? Wie viel des mühsam Angebauten werfen wir weg, welche Flächen verschlingen Tierhaltung und Mobilität? Zwei der Köpfe hinter dem Weltacker sind Tobias Till Keye und Pablo Melotta – Keye ist Vorstandsvorsitzender des RCE, Melotta fest angestellter Bildungsreferent. Im Interview sprechen sie über Ziele und Wirkung des Projekts.

Herr Keye, Herr Melotta, das Gelände, auf dem wir hier stehen, ist 2000 Quadratmeter groß – das wirkt riesig für einen einzigen Menschen.
Keye: Die Zahl täuscht, denn auf dieser Fläche muss alles wachsen: das Getreide für Brot, Reis, Kartoffeln, Obst, Gemüse, Ölsaaten, Zuckerrüben und so weiter.Zu dem das Futter für die Tiere, deren Fleisch, Milch und Eier wir essen und trinken. Und dann brauchen wir auf den 2000 Quadratmetern auch noch Platz für Baumwolle, Tabak, Rohstoffe für Biogas, Biodiesel, Industrie und Verpackungen. Unser Acker führt klar vor Augen, wie weit wir über unsere Verhältnisse leben.
„Das Gefühl für unseren tatsächlichen Verbrauch ist durch die Globalisierung verloren gegangen.“
Melotta: Das Gefühl für unseren tatsächlichen Verbrauch
ist durch die Globalisierung verloren gegangen. Wir wissen ja oft gar nicht, wo unser Essen herkommt und was für Auswirkungen sein Anbau hat. Diese Beziehung wiederherzustellen, sie erleb- und begreifbar zu machen, das ist unser Ziel. Am Rande des Weltackers gibt es aber auch etwas für die Ratio: Ausstellungstafeln zu Themen wie Saatgut und landwirtschaftliche Praktiken, Lebensmittelverschwendung und ökologischem Bauen.
Wie bringt man so ein Projekt auf dem Land zum Laufen?
Melotta: Schulen kommen nicht einfach von sich aus. Es braucht eine Stelle wie meine, jemanden, der immer wieder einlädt, aufmerksam macht – und dann auch vor Ort begleitet, egal ob Kinder, Jugendliche oder Erwachsene.
Dank der Förderung haben wir nun auch ein Budget für Veranstaltungen – denn in einem kleinen Dorf mitten im Nirgendwo muss man sich proaktiv um Gäste bemühen. Zum Glück stehen wir damit nicht alleine da, sondern haben Partnerinnen und Partner vor Ort, die am gleichen Ziel arbeiten. Im Herbst veranstalten wir zum Beispiel gemeinsam die Europäische Nachhaltigkeitswoche mit Vorträgen, Workshops und Diskussionsrunden, aber auch niedrigschwelligen Angeboten wie einer Doku-Filmreihe oder Theateraufführungen neben dem Weltacker.
Keye: Aus einzelnen Aktivitäten wird nur dann ein großes Ganzes, wenn es einen Ort gibt, an dem man sich treffen, austauschen und auch mal ein Glas zusammen trinken kann. Bildung für nachhaltige Entwicklung setzt darauf, Aha-Momente für alle Sinne zu kreieren. Denn verstanden hat man etwas erst, wenn man spürt: Das hat etwas mit meinem Leben zu tun!
Wir haben einen Seminarort geschaffen, das Weltacker-Haus, und einen Co-Working-Space mit Blick aufs Feld. Dort werden Zukunftsthemen gewälzt. Bei uns dürfen unterschiedlichste Perspektiven zusammenkommen. Im vergangenen Jahr hat zum Beispiel der Bauernverband seinen Vereinstag bei uns ausgerichtet.

Wie wirkt eine Führung über den Weltacker auf die Leute?
Melotta: Für mich ist ein großer Erfolg, wenn Kinder hier eine gute Zeit haben, sich einlassen und einbringen. Oft entstehen Momente der Stille. Dann wird jemandem klar, wie viel Boden ein Schnitzel mit Pommes verbraucht. Manchmal denke ich auch: Das geht doch alles viel zu langsam! Aber ich bin überzeugt, dass unsere Arbeit etwas in den Köpfen ändert und Menschen an einen Tisch bringt, die sonst nicht zusammensäßen – zum Beispiel die Leute aus dem Ort und Gäste aus der Stadt.
Keye: Ich freue mich immer sehr, wenn ich Leuten aus Rothenklempenow begegne, die gerade der Familie von auswärts den Weltacker zeigen. Es gibt viele Engagierte aus der Umgebung, die mithelfen. Sie reflektieren hier, wie sie selbst einmal gewirtschaftet haben. Oder fragen mal ihren Nachbarn, was er da eigentlich auf seine Felder spritzt. Wir schaffen Bewusstsein. Es ist wirklich schön, Teil dieses Prozesses zu sein.
Text: Christiane Langrock-Kögel, KOMBÜSE
BINES e. V.
Bewusster Konsum, Bildung, Zukunft
Foto unten: RCE Stettiner Haff