mit bildung gegen rassismus

der hamburger verein Ossara setzt sich mit worten und taten in deutschland und afrika für eine gerechtere welt ein

Nicolas MoumouniFoto: Kathrin Harms

Nicolas Moumouni, 41, ist Gründungsinitiator von Ossara, einem Verein, der Projekte zur Entwick- lungszusammenarbeit in drei westafrikanischen Ländern umsetzt und gleichzeitig politische Bildungsarbeit zu Themen wie Rassismus und Kolonialismus in Deutschland leistet.

Die Idee zu Ossara, übersetzt „Es wird gut“, kam erstmals 2007 auf. Ich war damals Student in Mainz und habe mich gefragt, wie ich meine Familie in meiner Heimat Togo am besten unterstützen kann. Das ist ein alltäglicher Gedanke unter internationalen Studierenden in Deutschland. Ich behaupte, dass fast alle ihren Leuten in irgendeiner Form Unterstützung zukommen lassen, sei es finanziell oder beratend. Ich wollte das anders machen, indem ich die Unterstützung institutionalisiere, damit sie nachhaltiger und effizienter wird.

„Wir möchten Menschen,
die von Rassismus und Diskrimi­ nierung betroffen sind, em­ powern und befähigen, darüberzu sprechen.“

Es hat dann allerdings ein paar Jahre gedauert, bis es mit Ossara konkreter wurde. Ich habe mich zunächst viel mit Gleichgesinnten ausgetauscht, sodass wir bei der Gründung 2017 bereits 26 Personen waren. Mittlerweile hat der Verein 62 Mitglieder, von denen manche Geld spenden, manche Zeit investieren, andere wiederum bei Veranstaltungen unterstützen. Das Besondere an unserem Verein: Jede und jeder kann sich mit seiner Expertise und nach seinen Wünschen einbringen.

Bei der Gründung haben wir sehr bewusst den Fokus nicht allein auf die Entwicklungszusammenarbeit und die Projektarbeit in afrikanischen Ländern gelegt, sondern auch auf die antirassistische Bildungs- und Aufklärungsarbeit hier in Deutschland. Wir möchten so viele Menschen wie möglich erreichen und von unserer Philosophie überzeugen. Die beinhaltet zum einen etwas, das mittlerweile fast alle Entwicklungsorga-nisationen zumindest vorgeben zu tun: Hilfe zur Selbsthilfe. Im besten Fall machen wir uns selbst überflüssig mit all unseren Projekten. Gleichzeitig ist unsere Philosophie machtkritisch, rassismuskritisch und dekolonial. Bei Ossara entscheiden Schwarze oder PoC, also Menschen, die selbst aus ehemaligen Kolonien kommen oder von Rassismus betroffen sind, darüber, wofür das Geld verwendet wird. Sie definieren Projektguide- lines und setzen Prioritäten. Das verändert die Perspektive im Diskurs über Kolonialismus, rassistische Strukturen und Stereotype.

Manchmal ist es sehr irritierend zu sehen, dass es noch immer Menschen gibt, die der Meinung sind, wir sollten uns in entwicklungspolitische Fragen gar nicht einmischen. Dann frage ich mich, worum es denen geht. Geht es noch um ehrliche Unterstützung und humanitäre Hilfe? Denn Hilfe, die dazu dient, Menschen in der Abhängigkeit zu halten, ist keine Hilfe – wie der sozialistische Revolutionär und erste Präsident von Burkina Faso Thomas Sankara einmal sagte Die Unterstützung, die wir bekommen, und die Erfolge in unserer Projektarbeit zeigten uns, dass wir auf dem richtigen Weg sind: Innerhalb von sechs Jahren haben wir in Togo, Benin und der Elfenbeinküste 35 Schulen gebaut, fast 20 Brunnen gebohrt und viele Bildungsprojekte umgesetzt. Die Schulprojekte sind ganzheitlich gedacht und schließen Wissensvermittlung mit ein: Wir bilden unter anderem Umwelt-AGs und pflanzen anschließend Orangen-, Mango- oder Cashewbäume auf den Schulhöfen oder starten gemeinsam mit lokalen Akteurinnen und Akteuren Wiederaufforstungsprojekte.

 In Kooperation mit unserer Partnerorganisation vor Ort konnten wir beispielsweise im Projekt „LILA“ über 5000 Baumsetzlinge auf Schulhöfen und öffentlichen Plätzen pflanzen. „Lila“ bedeutet Wurzel auf Lamba, einer togoischen Sprache. Die Schulkinder sind wie die Wurzeln, die tief genug in den Boden eindringen sollen, damit sie eine solide Grundlage haben, um sich auch in Zukunft für eine gerechte Welt und eine gesunde Umwelt zu engagieren. In anderen Projekten klären wir mithilfe von Fach- leuten über Mund- und Zahnhygiene auf, in den schul- freien Zeiten bieten wir – wenn möglich – Computerkurse und Einführungen in Informatik für Schülerinnen und Schüler sowie Studierende an. Einen besonderen Fokus legen wir auf die Förderung von Frauen und Mädchen.

Mindestens genauso wichtig ist unsere bildungspolitische Arbeit hier in Deutschland. Wir haben damit angefangen im Hamburger Stadtteil Groß Borstel, weil der dortige Sportverein uns Räumlichkeiten ange- boten hat. Aber auch weil dort zunehmend viele Menschen mit Migrationsgeschichte leben. Wir wollen zweierlei erreichen: Erstens möchten wir Menschen, die von Rassismus und Diskriminierung betroffen sind, empowern und befähigen, darüber zu sprechen und deutlich zu machen, was diese Erfahrungen mit Menschen machen. Natürlich laden wir aber auch Nichtbetroffene ein, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen und

den internalisierten Rassismus zu „verlernen“. So können sie zu echten Verbündeten werden. Denn unsere Gesellschaft in Deutschland ist von strukturellem Rassismus durchzogen, das ist eine historisch gewachsene Realität, die Menschen trennt. Daher reicht in der Regel ein Workshop nicht aus, um das System zu dekonstruieren, um Handlungssicherheit und Sprechfähigkeit herbeizuführen. Genau das wäre aber dringend nötigfür eine rassismusfreie und gerechtere Gesellschaft. Dennoch: Die zunehmend hohe Nachfrage nach unseren Projekten und Workshops stimmt mich optimistisch, dass unsere Arbeit Veränderungen bewirkt.“

Text: Bastian Henrichs, KOMBÜSE

Ossara e.V. — Verein zur Förde- rung der Bildung, Gesundheit und kulturellen Vielfalt

www.ossara.de 

Bildung für nachhaltige Entwicklung, Entwicklungszusammenarbeit, Antirassismus, Togo