"ICh wollte Natur pur"
Ralf Koch leitet den Naturpark Nossentiner/Schwinzer Heide mit großer LEidenschaft für die Natur - und immer neuen iDeen

Buddeln, Pflanzen beschneiden, Fledermäuse beringen — seit 2016 leitet Ralf Koch den Naturpark Nossentiner / Schwinzer Heide. Sein Erfolgsrezept: große Leidenschaft für die Natur und immer neue Ideen.
Nur seine sanft in die Erde einsinkenden Füße verraten, dass unter ihm Moorboden ist. Kein Wasser benetzt die Sohlen, unzählige unkontrolliert aufgeschossene und äußerst durstige Birken haben das einstmals intakte und artenreiche Rahmannsmoor bei Krakow am See austrocknen lassen. Im Vorbeigehen reißt Ralf Koch eine junge Birke aus, die nicht hierhergehört, und schüttelt den Torf von den Wurzeln, der im Moor bleiben soll. „Als wir den Aufruf gestartet haben, das Moor hier zu revitalisieren, haben in den ersten Tagen etwa 100 Leute tatkräftig mit angepackt“, erzählt Koch.
Koch ist Leiter des Naturparks Nossentiner / Schwinzer Heide, und der Eindruck trügt nicht, dass in seinem Naturpark mehr Menschen derart engagiert sind als andernorts. „Das ist aber kein Erfolg von mir, das geht nur mit einem guten Team“, sagt Koch, der ein Talent dafür hat, Leute zu begeistern und vernetzen.
Sein Rezept: Einfach machen. Er grübelt nicht und denkt nicht darüber nach, was man alles müsste, könnte, sollte, er legt Termine fest und organisiert Treffen. So manche der engagierten Mitstreitenden stellen dann im Moor fest, dass sie erstmals etwas Praktisches für den Klimaschutz tun, machen die Erfahrung, dass sie sich nicht auf große
Maßnahmen der Politik verlassen müssen, um wirksam zu sein. „Das machen wir viel zu wenig: Menschen zu animieren, rauszugehen, mit den eigenen Händen etwas zu tun und abends glücklich festzustellen: ‚,Heute habe ich das Moor gerettet.“ Rausgehen, etwas mit den Händen tun – Koch liebt genau das.
Eigentlich hatte er Bergmann werden sollen, wie schon der Vater und Großvater vor ihm. Unter oder über Tage der Erde ihre wertvollen Schätze nehmen, an ihrer grünen Hülle kratzen, bis nur noch toter Staub bleibt.
Text: Ursula Meer
Doch Ralf Koch, 1963 in der Nähe von Halle an der Saale geboren,
kriecht schon als Kind lieber durch Gebüsch und in Höhlen, wandert in Wäldern und auf Wiesen und beobachtet Tiere und Pflanzen. Folgerichtig will er Förster werden, „wie wohl jeder kleine Junge“, sagt er lachend. Er sitzt in seinem Büro in der Naturparkstation am runden Tisch, umgeben von dürftig sortierten, hier und da mit einer leichten Staubschicht bedeckten Papierstapeln. Bürokratie gehört nicht zu seinen Leidenschaften. „Als ich hier 1991 anfing, hielt ich die Büroarbeit des damaligen Naturpark-Leiters für weniger wichtig als unsere praktischen Arbeitseinsätze dort draußen, mit denen wir uns aktiv für den Artenschutz einsetzten“, sagt er und weist aus dem Fenster in eine Umgebung aus Wiesen und Wald. „Heute weiß ich, wie wichtig es ist, Anträge und Berichte zu schreiben, zu korrespondieren mit Menschen, die entscheiden und solchen, die aktiv etwas für den Naturschutz tun wollen.“
Wie zur Bestätigung brummt sein Handy, und leise Töne aus dem PC weisen auf den Eingang neuer Nachrichten hin. Mit Mitte 20 ziehen Ralf Koch und seine Frau bewusst aus Sachsen-Anhalt in den hohen Norden. „Ich wollte Natur pur haben. Nach dem Studium der Elektrotechnik und Elektronik habe ich vier Jahre in dem Bereich gearbeitet. Nebenbei habe ich mich aber immer an Arbeitseinsätzen der ‚Gesellschaft für Natur und Umwelt‘ in der DDR beteiligt“, erzählt Koch in dem ihm verbliebenen sächsischen Akzent. Bevorzugt beteiligt er sich am Schutz der Moore, für die sein Herz beinahe so sehr schlägt wie für sein Lieblingstier, die Fledermaus. Als Ralf Koch schließlich nach der Wende sein Hobby zum Beruf machen kann, hat er sich alles, was er dafür wissen muss, selbst angeeignet. Dennoch: „Je mehr ich versuchte, Weichenstellungen vorzunehmen, in Gremien mitgearbeitet oder über Förderprogramme und Rahmenbedingungen gesprochen habe, desto öfter wurde ich nach meiner Ausbildung gefragt.“ Ein Elektronikingenieur als hauptamtlicher Naturschützer? Das zu erklären, ist er irgendwann leid. Mit Ende 40 ab solviert er berufsbegleitend ein Fernstudium für ökosystemaren Umweltschutz an der Uni Rostock, denn „manche gehen eben doch nach der Ausbildung, ob man Ahnung hat oder nicht“.


Dabei ist in seinem Job nicht allein Fachwissen gefragt,
er braucht auch einen Blick für das, was draußen im Naturpark zu tun ist. Der zeigt sich bei einem Besuch am Krakower Obersee. Wanderer lassen in einer Schutzhütte den Blick über eine Wiese in Richtung kleine Inseln schweifen, auf denen Ziegen und Schafe grasen. Zu ihren Füßen lädt eine Liege für zwei zur Beobachtung des Himmels ein; der Naturpark Nossentiner / Schwinzer Heide soll zu Norddeutschlands erstem anerkannten Sternenpark werden.
Koch indes, mit schweren Schuhen, Outdoorjacke und seinem Markenzeichen, einem weinroten Kopftuch, immer zum Anpacken bereit, sieht überall Aufgaben: „Dort hinten wachsen die Silberpappeln zu hoch, die versperren den Blick auf den See und die Inseln. Wir sollten sie bald beschneiden. Und hier: Das Holz an der Brüstung ist morsch, das muss ausgetauscht werden.“ Vorerst aber klingelt das Handy. „Mein Tag ist immer voller Überraschungen“, stellt Ralf Koch beinahe entschuldigend fest und beginnt, lässig an einen Pfeiler der Schutzhütte gelehnt, ein längeres Telefonat. Gespräche mit Anwohnern und Eigentümerinnen, Verhandlungen mit Ämtern und Ministerien und motivierende Ansprachen von ehrenamtlichen Mitstreitenden nehmen einen großen Teil seines Arbeitstags ein.
Diese Idylle zu wahren und zu schützen, ist für Ralf Koch ein Traumjob.
Mitunter bleibt dennoch, gerade draußen in der beinahe menschenleeren Weite des Naturparks, Zeit für eine seiner Eingebungen. „Wenn ich rausgehe, hoffen meine Mitarbeiter stets, dass ich nicht wieder mit einer neuen Idee zurückkehre“, erzählt Koch lachend. Meist ist diese Hoffnung vergebens: Irgendwo gibt es immer einen Trafoturm umzubauen, damit er Fledermäusen ein neues Zuhause bieten kann, eine Streuobstwiese zu pflanzen oder gleich eine ganze Naturschutzstation einzurichten.
„Eigentlich ist es ein Traumjob: Wir haben so viele selbst gewählte Dinge, die wir machen können, und dabei relativ wenig Beschränkungen“, konstatiert der Naturschützer. Sicherlich, manche Skeptiker zweifeln und manche Idee lässt sich angesichts großer Widerstände von Anwohnenden oder auch Behörden nicht umsetzen. Manchmal lässt auch die anfängliche Euphorie vieler Engagierter angesichts der anstrengenden körperlichen Arbeit schnell nach, noch dazu in der Freizeit. „Auch das Scheitern gehört dazu“, sagt Koch, „aber die meisten Projekte können wir gut umsetzen.“
Trotzdem können größere Projekte schon mal zu einer Herausforderung in Sachen Mobilisierung für Koch und seine Mitarbeitenden werden. Eine Situation, der er bevorzugt mit der Feststellung „Jetzt muss ich kämpfen“ begegnet. Häufig tut er das, indem er selbst in seiner Freizeit tatkräftig mit anpackt, als Vorbild und aus ungebrochener Leidenschaft. Dann sieht man ihn buddeln, schneiden oder nachts im dunklen Wald mit Netzen Fledermäuse zur Beringung fangen. Wer sein Hobby zum Beruf macht, findet sich in einem fließenden Übergang vom Job zum Ehrenamt, vom Berufs- zu Privatleben.
Letzterem geben zwei feste Gewohnheiten Struktur: Morgens in aller Frühe spielt Ralf Koch sein Cello, dessen sonorer Ton ihn über den oft langen und überraschenden Tag begleitet. Wenn er gegen 17 Uhr heim-kehrt, gehen er und seine Frau lange mit ihrem Labrador spazieren und nehmen sich Zeit zum Reden, die sie sonst kaum haben. Das Paar lebt in einem 70-Seelen-Dorf am Rande der Mecklenburgischen Seenplatte. Beide fühlen sich dem Ort eng verbunden, nur selten suchen sie das Weite. Wenn sie gelegentlich doch mal zehn Tage Urlaub machen, dann bevorzugt in einem der anderen Naturparks in Deutschland.
Im Übrigen, sagt Koch, lasse sich die Freizeit auch in der näheren Umgebung gut gestalten, etwa mit
einer Fahrt zur geschützten Insel im Krakower Obersee, die von Schafen und Ziegen beweidet wird und nur in Ausnahmefällen von Menschen betreten werden darf. Dann wird Naturschutz zu einem kleinen Privileg für die Naturschützer, die mit einer elektrisch betriebenen Viehfähre zu dem stillen Idyll fahren und Weißdorn, Disteln und alles, was sonst im Weg ist, beschneiden. Umgeben von nichts als Natur. „Das macht man den Tag über, sitzt dann am Abend mit den Leuten zusammen, isst ein bisschen, trinkt ein bisschen. Und alle gehen nach Hause und sagen: ‚Ach, das war heute ein schöner Tag!‘“
Förderverein Naturpark Nossentiner / Schwinzer Heide e. V.
www.naturpark-nossentiner-schwinzer-heide.de
Naturschutz, Tiere, Landschaft, Sternenpark
Foto mittig und unten: Kathrin Harms